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Alt 11-01-2001, 10:00
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Zitat:
Hab 'ne recht gute Beschreibung des Gedankenexperimets gefunden (auf Wissenswertes über Schrödingers Katze ):

Kurz gesagt handelt es sich um ein Gedankenexperiment, das zur Zeit seines Erfinders Erwin Schrödinger (1887 1961) eigentlich vor allem quantenphysikalische Sachverhalte ( > Superposition) verdeutlichen sollte.

Der gedachte Versuchsaufbau war folgender: Ein Kasten, gefüllt mit radioaktivem Material, ein Zählwerk, das die radioaktiven Zerfälle zählt, ein Fläschchen mit hochtoxischem schnellwirkendem Gas und eben besagter Katze. Der Kasten ist mit einem Deckel verschlossen. Der Zähler, der den Zerfall jedes Atoms des radioaktiven Materials registriert, öffnet über einen Mechanismus die Giftflasche in dem Moment, in dem genau die Hälfte aller Atome ( > Halbwertszeit) zerfallen sind. Es wird postuliert, daß die Katze sofort nach Freiwerden des Gases stirbt (dies ist zwar Tierquälerei, aber wir erinnern uns sicher, daß es ja nur ein Gedankenexperiment ist, also kein Tier gequält wird, während wir einen weiteren Bissen unseres saftigen Steaks genießen). Soweit eigentlich einleuchtend, nicht?

Was aber soll dieser Versuch nun eigentlich zeigen? Herrn Schrödinger ging es sicherlich nicht darum, die Katze auf möglichst phantasievolle Weise ins Jenseits zu befördern, eigentlich stand für ihn die Voraussage des Gesundheitszustandes der Katze zum theoretischen Zeitpunkt des Ablaufes der Halbwertszeit im Vordergrund, der Umstand nämlich, daß keine sichere Aussage darüber möglich ist, ob die Katze noch lebt oder nicht, denn die Halbwertszeit ist nur eine statistische Größe, d.h., die Hälfte aller Atome des Materials können sowohl genau zum errechneten Zeitpunkt, genausogut aber auch schon früher oder später zerfallen sein. Der verschlossene Kasten stellt also im Moment des theoretischen Ablaufs der Halbwertszeit eine sogenannte SUPERPOSITION dar, er beinhaltet alle möglichen Zustände zwischen quicklebendiger und toter Katze gleichzeitig.

Das bedeutet also, daß trotz genau determinierter Bedingungen das Ergebnis bestenfalls mit statistischer Wahrscheinlichkeit zum erwarteten Zeitpunkt eintritt. Dies steht im Widerspruch zur klassischen (newtonschen) Physik, die vom Axiom der absoluten Determinierung der Ereignisse ausgeht. Das heißt in Schrödingers Kontext übersetzt: Laß mittels eines Hebels ein sehr großes Gewicht auf eine genau darunter liegende Katze fallen und der Gesundheitszustand der Katze läßt sich mit 100%iger Sicherheit vorhersagen, selbst wenn der Vorgang unsichtbar in einem abgeschlossenen Raum stattfindet.

Im Prinzip ließe sich ja auch der Zustand von Schrödingers Katze mit derselben Sicherheit voraussagen, wenn man den tatsächlichen Zeitpunkt des Ablaufes der Halbwertszeit vorausbestimmen könnte, was aber nicht geht. Warum eigentlich nicht?

Hierfür versetzen wir uns einmal an die Stelle eines Atoms des radioaktiven Materials und drehen mit dem Videorekorder eine Panoramaaufnahme. Nun stellen wir uns vor, wir besäßen einen Apparat, der uns genau zum Zeitpunkt unseres vorherigen Drehbeginns an den selben Ort zurückversetzten könnte, wir nehmen dieselbe Szene in der gleichen Zeit noch einmal auf, kehren anschließend zu normaler Zeit und Größe zurück, legen beide Kassetten in zwei parallel laufende Abspielgeräte und schauen uns beide Aufnahmen gleichzeitig an. Was sollten wir laut gesundem Menschenverstand sehen? Zweimal genau den gleichen Film. Was sehen wir? Zweimal genau den gleichen Film, naja, fast genau den gleichen, denn da war doch dieses Atom links oben, das nur im linken Film zerplatzt ist, dafür sind die zwei anderen im rechten Film aber viel früher und eigentlich auch nicht genau synchron zerplatzt, sondern etwas zeitversetzt ...

Wie kommt das?

Erinnern wir uns zurück an unsere Schulzeit, Physikunterricht, mündliche Leistungskontrolle.

"So, schau'n wir mal, wer noch 'ne Note braucht ... Ah, Altmann hat noch keine mündlich, also komm'se mal vor an die Tafel und erzähl'n'se uns was über den radioaktiven Zerfall!"

Mit weichen Knien wankt man nach vorn und zermartert sich gleichzeitig das Hirn: 'Wie war das eigentlich?'

Breiten wir gnädig den Mantel des Schweigens über den weiteren Ablauf der Leistungskontrolle und tun wir es den klugen Leuten nach, eingedenk der Devise: Man braucht nicht alles zu wissen, aber man muß wissen wo's steht.

Also wälzen wir Nachschlagewerke ... ah ja, hier steht ja was über radioaktiven Zerfall: Alle Atome (Atomos: griech. 'das Unteilbare' (Haha!)) bestehen aus einem einer Wolke von positiv geladenen Protonen und im Normalfall gleich vielen ladungsfreien Neutronen im Zentrum sowie den negativ geladenen Elektronen die sich in Orbitalen genannten Zonen außerhalb des Zentrums aufhalten. Die Neutronen sorgen dafür, daß sich die Protonen nicht gegenseitig aus dem Zentrum herausstoßen. Die Elektronen, Protonen bzw. die Teilchen, aus denen sie bestehen, haben ganz erstaunliche Eigenschaften und auf sie sind die Gesetze der klassischen Physik nur noch in begrenztem Rahmen anwendbar, sie können z.B. gemäß der Planckschen Quanten Theorie Energie nur in "Häppchen" (ganzzahligen Vielfachen des Planckschen Wirkungsquants h) aufnehmen oder abgeben. Weiterhin ist es unmöglich, Aufenthaltsort und Richtung eines Elementarteilchens gleichzeitig zu bestimmen, da sie mehr oder weniger gleichzeitig an jeder Stelle in ihrem Orbital existieren ( > Heisenbergs Unschärfetheorem). Sind nun im Atomkern mehr Neutronen als Protonen vorhanden, oder wirkt Beta oder Gammastrahlung auf den Kern ein, so wird er instabil und zerfällt in zwei Teile, wobei jedes Bruchstück einen Teil der Elektronenwolke mit sich nimmt, der der Anzahl seiner Protonen entspricht. Der ganze Vorgang wird von einer Vielzahl von Prozessen begleitet, unter anderem der Emmission von Beta und Gamma Strahlung, Neutronenemission und dem sogenannten MASSEVERLUST (nach der Teilung des Atomkerns sind in der Summe immer noch gleich viele Teilchen vorhanden, jedoch ist die Gesamtmasse geringer als vor der Spaltung!), was letztendlich Albert Einstein zur Formel der speziellen Relativitätstheorie (E=m*c^2) führte.

Warum aber, um auf das Thema zurückzukommen, ist der Zerfall nicht so genau voraussehbar, daß sich die Halbwertszeit z.B. für zwei Atome genau voraussagen läßt? Die Antwort wurde eigentlich im vorigen Absatz bereits gegeben. Zum einen liegt es an der "Unschärfe" der Partikel, und vor allem daran, daß radioaktiver Zerfall ca. 50 verschiedene Ursachen haben kann (z.B. den schon genannten Neutronenüberschuß, die Einwirkung von Beta oder Gammastrahlung usw.), was natürlich auch unterschiedliche Zeiten bis zum Zerfall nach sich zieht.

Dies alles führte dazu, daß Erwin Schrödinger der erste Besitzer einer virtuellen Katze wurde, die in die Annalen der Physik und in die Science Fiction einging.

Zum Schluß sei noch bemerkt, daß bei der Erstellung dieses Beitrages weder Tiere noch Elementarteilchen gequält oder vernichtet wurden.
'ne wissenschaftliche Abhandlung davon gibts bei Spektrum der Wissenschaft: Das zähe Leben von Schrödingers Katze

Hoffe jetzt endlich alle unklarheiten beseitigt zu haben...

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