So, nun will ich mal wieder ein wenig weiter schreiben.
Eigentlich hatte ich gestern bereits ein halbes Traktat verfasst. Dummerweise war ich so ungeschickt und unterließ es, mein Geschreibsel vorher mal zu speichern, obwohl ich dran gedacht habe... Ich bekam dann nach dem Klick auf den Button „Antworten“ sie Meldung, ich sei nicht mehr eingeloggt und ein Klick auf den „Zurück-Button“ im Browser offenbarte mir dann, dass nichts mehr in der Ablage gespeichert war...
Also, noch einmal von vorn. (Diesmal nehme ich den kleinen Umweg über Word) :P
Zitat:
Zitat von Rejana
Ja, das ist aber ziemlich schwierig, weil selbst Jesus sagt, dass er gar keinen Einfluss darauf hat, wer nun „zu ihm kommt, und wer nicht“. Er sagt sogar, dass auch die Menschen darauf keinen Einfluss haben, sondern nur Gott. (vgl. Joh, 14,6 und Joh. 6,44 <--erstere Stelle wird gerne zitiert, letzere fällt oft und gerne unter den Tisch)
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Bei Joh 6,44 ist zu lesen:
Zitat:
Niemand kann zu mir kommen, wenn nicht der Vater, der mich gesandt hat, ihn zu mir führt; und ich werde ihn auferwecken am Letzten Tag.
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Das Johannesevangelium ist in seiner theologischen Entwicklung bereits sehr weit. Das beginnt ja bereits im ersten Kapitel mit dem Logos der bereits vor aller Zeit bei Gott war und Gott ist (Präexistenz). Aus der zitierten Stelle geht eindeutig hervor, dass Gott derjenige ist, der entscheidet, welcher Mensch in das Reich Gottes eingehen kann und welcher Mensch nicht. Ich würde aber nicht daraus schließen, dass Jesus, zumindest in der Rolle des Christus, der nach der Parusie (Wiederkunft) die Menschen vom Tode auferweckt, nicht weiß, wer gerettet werden wird und wer nicht. Z. B. sagt 2Tim 4,1 aus, dass Jesus der Richter am Ende der Zeiten sein wird und dass Jesus die Vollmacht Gottes schon zu Lebzeiten besitzt, macht das Lukasevangelium (Luk 23,43) deutlich, wenn Jesus dem gemeinsam mit ihm gekreuzigten Verbrecher das Himmelreich verspricht.
Das Johannesevangelium macht deutlich, dass Gott und Jesus wesensgleich sind.
Zitat:
Zitat von Rejana
Demzufolge funktioniert es zwar, diese beiden Seiten, von denen du sprichst aufrecht zu erhalten, sich daraus aber ein radikales Weltbild in Form von „die anderen sind die Bösen“ , die wir bekehren, oder abschlachten müssen, aufzubauen, eben nicht- und das wird ja eben oft getan. Man kommt da einfach in Erklärungsnotstand,wenn man Menschen misshandeln und innerlich "ind ie Hölle schicken" will,die andersgläubig, oder gar nicht gläubig sind, wenn lediglich Gott Einfluss auf den geistlichen Zustand -das geistliche Erkennen- eines Menschens hat, von dem der eigene Gott dann auch noch behauptet, dass er sie innigst liebt
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Das sehe ich genauso:
Wie kann ein Mensch es sich anmaßen, über andere Menschen zu urteilen? Und dann noch eine Entscheidung zu fällen, die allein Gottes Entscheidung ist, grenzt beinahe schon an Gotteslästerung. Aber die fundamentalen Christen sehen das eben anders und sie sehen vor allen Dingen diesen Konflikt nicht. Wahrscheinlich wären sie beleidigt, wenn man ihnen das vorwerfen würde. Ich tue mich sehr schwer damit, das nachvollziehen zu können, aber es ist ja nun einmal so.
Zitat:
Zitat von Rejana
Ja, das stimmt- ich selbst stelle mir oft die Frage, warum das geschieht: Was geht in den Menschen vor, warum tut er das, warum blendet er den gesunden Menschenverstand aus, welche Bedürfnisse wurden nicht erfüllt etc.etc. Das ist das, was mich sehr beschäftigt, geht innerhalb dieser Diskussion aber zu weit. [...]
Darüber habe ich auch oft nachgesonnen, ob es manchmal nicht wirklich notwendig ist. Vielleicht nicht zwingend nur, wenn es um die Frage des Glaubens geht, sondern auch um weniger geistliche Dinge, wie die Durchsetzung der Wahrheit, dessen Näherung in den Naturwissenschaften durchaus gesucht wird. [...]
Vielleicht leiten viele Menschen, die eben diese dualistische Weltsicht besitzen, ihre Ansicht aus solchen Teilerlebnissen ab und extrapolieren sie dann auf die Gesamtheit ihrer Probleme, die ihnen am Tag so begegnen- und entwickeln so diese „Schwarz-Weiß-Sicht“.
Nun auf jeden Fall hat die Radikalität in der Ausrottung der Seuchen der Menschheit nicht schlecht getan.
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Ich glaube dass der Mensch ein Verlangen danach hat, die Welt verstehen zu wollen. Dieses Verlangen entsteht daraus, dass der Mensch ein Bewusstsein hat und damit auch die Fähigkeit zur Transzendenz.
Dieses Bedürfnis, die Welt verstehen zu wollen ist aber eher unzureichend zu befriedigen. Kein Philosoph hat es geschafft, die Welt vollständig zu erklären und es ist ja auch utopisch anzunehmen, dass die Naturwissenschaften einmal alles erklären können. Um es mit den Worten Sokrates zu sagen: „Ich weiß, dass ich nicht weiß.“ Ich kann verstehen und erklären, bin mir dessen bewusst, aber je mehr ich weiß, umso mehr wird mir gewahr, dass ich nicht alles verstehen und erklären kann.
Und hier setzen fundamentalistische Weltbilder an:
Sie ermöglichen, die Welt auf relativ einfache Weise zu erklären. Dadurch geben sie dem Betreffenden Hoffnung. Was er aber nicht bemerkt, oder auch einfach nur nicht bemerken will, ist, dass sich daraus massive Probleme für die Menschheit insgesamt ergeben. Verabsolutiere ich mein „Wissen“, indem ich andere Meinungen nicht mehr zulasse, erzeugt das Leid. Vielleicht zunächst erst einmal nicht auf der physischen Ebene, aber doch auf der psychischen.
Wir können uns einmal zurück besinnen auf die Zeit des Dritten Reichs:
Die in Deutschland lebenden Juden waren allesamt Deutsche, die sich lediglich durch ihre praktizierte Religion von anderen Deutschen unterschieden. Sie waren vollkommen integriert, man nahm sie gar nicht als Fremde wahr. Es fand dann ein Umdenken statt, vorangetrieben durch die Nationalsozialisten. Man wurde sich bewusst, dass diese Menschen anders waren. Man nahm sie als „anders“ wahr. Und plötzlich wurden sie fremd und etwas das fremd ist, wird häufig zur Gefahr.
Genau das passiert heute auch wieder mit dem Islam und vor allen Dingen bei den evangelischen Christen (in erster Linie bei den evangelischen Freikirchlern). Die Angst davor, der Islam könne die westliche Welt „überrollen“ ist vorhanden und wird natürlich begünstigt durch die Präsenz von islamistischen Terroranschlägen auf der Welt. Es entsteht ein vollkommen ver-rücktes Bild vom Glauben und der Religion und wir müssen sehr gut aufpassen, dass sich daraus nicht ein noch größerer Konflikt entwickelt als der, den wir im Moment ohnehin schon haben.
Und um noch einmal auf dein Beispiel in der Biologie zurückzukommen:
In den Augen der fundamentalen Christen wäre es ja tatsächlich gut und richtig, wenn alle andersgläubigen Menschen „ausgerottet“ wären. Dann gäbe es nur noch den einen Glauben und alle Menschen wären „erlöst“. Das würde natürlich so niemand zugeben und davon würde sich jeder Christ distanzieren. Deshalb tröstet man sich darüber hinweg, dass „die anderen“ alle in die Hölle kommen.
Zitat:
Zitat von Rejana
Hm- na ja- so ganz bin ich mit der Idee der Identitätsstiftung nicht einverstanden. Vielleicht existiert bei den Fundis oder generell bei einigen Menschen ein falsches bzw. anderes Verständnis von Identität, denn letzen Endes herrscht in Deutschland Glaubens und Gewissensfreiheit und das bedeutet, dass sie ihre Religion gerne ausleben dürfen, solange sie andere Menschen damit nicht behelligen oder stören, und damit ihre Identität in Frage stellen oder angreifen. Aber genau das machen ja gerade die Fundamentalisten- sie ordnen die Menschen in Schubladen mit dem Schildchen „gut“ und „böse“ drauf ein, und reagieren dann entsprechend, und das kann dann auch eben agressiv sein.- und ist es auch meistens. Ich erinnere mich, das auch die Christen eben durch ihr absolutes Weltbild dermaßen Ärgernisse erregt hatten, dass es eben zu Auseinandersetzungen kam. Besonders friedliebend waren die ersten Christen demzufolge auch nicht.
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Die ersten Christen waren mit Sicherheit friedliebend. Die hatten auch noch keine Macht. Erst als das Christentum Staatsreligion wurde, wurde es systematisch missbraucht und machte Kreuzzüge, Hexenverfolgung oder Ausbeutung der Bevölkerung möglich.
Mit Identitätsstiftung soll eigentlich auch nur beschrieben werden, was durch die Abgrenzung von anderen Gruppen ermöglicht wird. Man schreibt heute dem Wort Identität positive Eigenschaften zu, weshalb du dich dagegen sträubst, den Begriff hier zu verwenden, vermute ich. Aber Identität ist hier ohne Wertung zu verstehen. Ein Beispiel macht es vielleicht deutlicher:
Stell dir vor, du gehst in ein anderes Land, weil dich der Beruf dorthin verschlagen hat. Du kannst die Sprache noch nicht richtig und fühlst dich dort ziemlich fremd. Dann begegnest du einem anderen deutschen Ehepaar, das bereits vor einiger Zeit ebenfalls in dieses Land gekommen ist. Du wirst dich sofort mit ihnen gut verstehen und wahrscheinlich mehr Zeit mit diesem Ehepaar verbringen, da sie dir weit weniger fremd sind, als die anderen Menschen, die in diesem Land leben. Du findest deine Identität bei diesen Menschen wieder. Gleichzeitig definierst du dich über diese Menschen. Du gehörst irgendwie dazu. Zu den heimischen Menschen gehörst du aber weit weniger dazu, du grenzt dich ab. Dadurch wird dir aber auch wieder gewahr, wie deine Identität ist.
Die Fundamentalisten stiften durch ihren Glauben ebenfalls eine Gemeinschaft. Und durch die Abgrenzung werden sie ihrer eigenen Identität bewusst: Wir sind anders.
Gleich geht's weiter...