Thema: Religion
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Alt 07-12-2007, 21:29
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Zitat:
Zitat von Ejup Bayrami Beitrag anzeigen
Mit Identitätsstiftung soll eigentlich auch nur beschrieben werden, was durch die Abgrenzung von anderen Gruppen ermöglicht wird. Man schreibt heute dem Wort Identität positive Eigenschaften zu, weshalb du dich dagegen sträubst, den Begriff hier zu verwenden, vermute ich. Aber Identität ist hier ohne Wertung zu verstehen. Ein Beispiel macht es vielleicht deutlicher:
Ich denke, durch deine jetzige Erläuterung habe ich verstanden, was du exakt meinst. Trotzdem bleibe ich dabei, dass diese Form von Identitätsstiftung negativ belastet ist-zusätzlich zweifele ich die „alles verschlingende Übermacht „ an, die du in deinem Beitrag erwähntest.
Die negative Belastung mache ich –ganz biblisch (Math. 7,16)- an der Frucht der Identitätsstiftung fest.
Wenn die Frucht einer Identitätsstiftung ist bzw. das „Andersein“ dadurch aufrechterhalten oder definiert wird, sich negativ von den anderen abzugrenzen- damit meine ich, aggressiv und hochmütig sich selbst als „das Gelbe vom Ei“ zu betrachten, dann muss schon in der Identitätsstiftung etwas nicht stimmig sein. Darum meinte ich, das hier ein falsches Verständnis von Identität vorliegt.
Ich kann mich durchaus abgrenzen und „anders sein“- ich muss dem aber nicht die Wertung des „Ich bin das einzig Wahre und Gute“ zuteil werden lassen.
Ich bin sowieso abgegrenzt und anders, durch meine Individualität- aber sicherlich nicht „das Gelbe vom Ei“, derjenige, der die Wahrheit vollständig erkannt hat“, derjenige, der „in den Himmel kommt“, während der andere in die Hölle kommt.
Ich kann es auch anders sehen, wenn ich es will. Ich kann mich als Teil eines großen Ganzen betrachten, sowohl als Individium, als auch als ganze Gruppe- welches in der Ergänzung (die andere Individuen bzw. abgegrenzte Gruppen benötigen um zu funktionieren) lebt.
Das wäre übrigens- wenn wir schon bei Fundamentalchristen sind, die der Bibel an sich große Bedeutung beimessen- durchaus biblischer.(1. Kor. 12,4-6; 1Kor. 12,7-10)
Gut, innerhalb der zitierten Bibelstellen geht es lediglich um die Aufgaben und Gabenverteilung innerhalb der Gemeinde, doch das Denkschema extrapoliert auf eine globale Gemeinschaft (die wir nun mal sind) und intrapoliert auf einzelne Beziehungen lässt eine ganz andere Wertung (und ganz andere Dimensionen im friedlichen Zusammenleben) zu, als die gängigen Denkschemata der Fundamentalchristen.

Zur „alles verschlingenden Übermacht“: Die ersten christlichen Erwähnungen nichtchristlichen Ursprunges, die uns überliefert sind (und ein gefälschtes ) findet man in Flavius Josephus Werken („jüdische Altertümer“). Wenn man sich diese Bücher mal durchliest, wird einem bewusst wie intelligent und auch gesetzt die Menschen damals waren (nein, sie waren nicht dumm oder ungebildet, wie uns oft glaubhaft gemacht werden soll). Sie hatten ihre eigene Art zu denken, die manchmal sogar weit über die unsere hinausging und waren durchaus tolerant gegenüber „neuen Glaubensrichtungen“. Sicherlich sahen sie die Christen anfangs als kleine Vereinigung an, „harmlose Spinner“ eben -in der mit ziemlicher Sicherheit sich auch langsam radikalere Elemente herausbildeten (Siehe Evangelium nach Petrus und auch radikale Anteileile im Neuen Testament).
Das ist meine Vermutung. Ich vermute generell oft, dass viele Dinge wesentlich schleichender und auch komplizierter sich in der Geschichte dargestellt haben, als wir alle es zunächst vermuten.


Zitat:
Zitat von Ejup Bayrami Beitrag anzeigen
Es stellte sich nach kurzer Zeit heraus, dass sie Mitglied einer evangelischen freikirchlichen Gemeinde ist und das Gespräch driftete sehr schnell in die Richtung, dass sie meinen Glauben „überprüfte“, was ich als ausgesprochen unangenehm empfand (obwohl sie mir zunächst sehr sympathisch war)
Das kann ich mir gut vorstellen, das das unangenehm war/ist.
Gut finde ich, dass du die „Glaubensprüfung“ gemerkt hast. Merkt ja nun nicht jeder zwangsläufig.
Diese „Glaubensprüfung“ würde ich sagen findet generell unbewusst statt.-ich würde aber gar nicht sagen, dass das generell aus der reinen Identitätsstiftung herrührt. Vielleicht ist das der höhere Sinn dahinter. Mag sein.
Generell aber würde ich sagen, dass das Mädchen einfach nur Angst hatte „den Falschen“ zu bekommen, und damit von Gott „Ärger“ zu bekommen („christlich-fundamentalistisch“ gesehen)
Es geht eine Menge in der Psyche ab, wenn ein Fundamentalchrist auf der Suche nach einem geeigneten Lebenspartner ist. Gerade bei der Frau.
Du musst dazu die gesamte Palette an frauenspezifischen Äußerungen in der Bibel und den fundamentalen Kreisen und auch ihrem ganz speziellen Kreis bedenken. Eine Frau auf „Männersuche“ als Fundamentalchrist steht furchtbare Ängste durch.
Primär geht es ihr wohl weniger darum „Identität“ zu stiften, sondern mehr um ihr Seelenheil, sekundär als höheren Sinn dahinter geht es vielleicht um die Identität- die sie in Dir nicht bestätigt sah, weil du ja offensichtlich kein Fundamentalchrist bist.

Zitat:
Zitat von Ejup Bayrami Beitrag anzeigen
Und was die Selektion von Bibelstellen angeht, sind die fundamentalen Christen auch recht extrem, denn z. B. liegen bei diversen Veranstaltungen immer nur „halbe Bibeln“ aus: Nämlich nur das Neue Testament, was mir von Anfang an sehr suspekt war. Mir scheint, dass ihr Verständnis ist, dass das NT in weiten Teilen das AT abgelöst hat. Und das darf man absolut nicht so sehen, denn dann geht die komplette Entwicklung, alles geschichtliche der Texte verloren.
Lach- die halben Bibeln haben einen Grund, der gar nicht so schlecht durchdacht ist- auf den ersten Blick.
Es geht nicht darum, dass das AT vom NT abgelöst wurde, die Fundamentalchristen legen extremen Wert auf die Evangelisation und machen sich demzufolge sehr viele Gedanken um die „Unbekehrten“ - die zu bekehren sie wünschen, oder (um mit den Fortgeschrittenen zu reden) die sie sich wünschen, dass Gott sie „bekehrt“.
Um mit ihrer Sprache zu reden: Sie leben im „Neuen Bund“ - dem „Bund der Gnade“, der durch Jesus Christus geschlossen wurde.
Es geht ihnen demzufolge primär darum, die Menschen mit Jesus zu konfrontieren, denn mit der ganze Fülle des AT. Sie glauben, wenn eine persönliche Erfahrung mit Jesus vorliegt, die durch Lektüre des NT begünstigt werden kann, die „Bekehrung“ –also die „Hinwendung zum Christus“ dann die weitere Entwicklung steuert.
Sie reduzieren auf das –in ihren Augen- Nötigste und das mit System.

Für einen Menschen, der sich selbst gerne ein Bild machen möchte, sich Zeit lassen möchte, sich seinen eigenen Kopf machen möchte, über die Bibel und ihre Entwicklung ist dies natürlich extrem kontraproduktiv. Aber das wird in Kauf genommen. Da „ticken“ die Fundis eben doch ein wenig anders.
Manchmal- so denke ich oft, muss ich ja gestehen- geht es ihnen oft um Masse, statt um Klasse

Geändert von Rejana (07-12-2007 um 21:40 Uhr).