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Alt 09-11-2002, 09:32
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Moltke Moltke ist offline
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Ja, interessante Frage, Gersultan, warum solche Prozesse abgehalten wurden.
Hier stand wohl ein ähnliches Prinzip wie das der sowjetischen Schauprozesse Pate. Die sowjetischen Schauprozesse sollten keine juristische Verhandlung sein; vielmehr stand das Urteil schon fest und waren als Schauspiel vor dem Forum der Werktätigen (als Zuschauer) gedacht, in dem der Staatsanwalt dem Renegaten und Verräter die Maske vom Gesicht reißt, was wiederum den Werktätigen als Warnung und Schaustellung der eisernen Verteidigung der Ideologie und Linientreue dienen soll.

Wenn wir den Volksgerichtshof nun damit vergleichen, so können wir eine Mischform zwischen Schauprozess und einem Prozess bürgerlich-herkömmlicher Prägung feststellen. Für Schauprozess spricht die aufdeckende Art der Prozessführung und die heimliche Abfilmung zur späteren propagandistischen Verwendung; für herkömmliche Prozesse, daß es auch Freisprüche gab und vom Angeklagten keine Selbstbezichtigung wie im sowjetischen Schauprozess erwartet wurde.

Die Funktion des Prozesses ist jedoch dieselbe.

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Daß jemand ein Verbrecher war, heißt logischerweise nicht, daß er nicht klug sein kann und kluges gesagt oder geschrieben haben kann. Dies generell zu behaupten und anzunehmen ist ein Zeichen von Dummheit und Betonköpfigkeit. Die Haltung entspringt wohl der Angst, die man vor der Bedrohung durch den Intellekt hat. Jedoch wird dieser eben dadurch, daß man seine Existenz leugnet, nicht begegnet.

So ist es denn klassische Sitte, die Erinnerung an unerwünschte Personen und Verbrecher der Geschichte zu verdammen, indem man ihre Statuen und Namen zerstört, ihr Andenken verächtlich macht, ihre Schriften verbrennt und verbietet. Die katholische Kirche hat diese Methode bezüglich der Ketzer zur Hochblüte gebracht. Auch in der Antike war es üblich, die Köpfe der Stauen der Vorgänger im Regierungsamt abzuschlagen und ihre Namen wegzumeißeln.

Indes, Stauen kann man schleifen, jedoch der Geist eines Menschen entzieht sich fast immer der völligen Vernichtung, denn er lebt in den Köpfen der Menschen fort; deshalb ist er so gefährlich.

So wird man noch in tausend Jahren die Schriften und Reden von Hitler kennen, der wie gesagt, keineswegs dumm war, sondern durchaus Dinge gesagt hat, die klarsichtig sind und sogar gelegentlich gegen ihn und seine Regierung sprechen, wären sie zum damaligen Zeitpunkt öffentlich bekannt geworden.

Z.B.: "Was für ein Glück für die Regierungen, daß die Völker nicht denken!"

Noch etwas interessantes, diesmal von Goebbels. Er schrieb nach der berühmten Sportpalastrede in sein Tagebuch: "Diese Stunde der Idiotie! Hätte ich ihnen befohlen, vom Columbia-Hochhaus zu springen, sie hätten es auch getan!"

Insofern ist gegen Zitate von Hitler usw. eigentlich nichts einzuwenden. Denn den Geist zu vernichten ist letztlich sinnlos; sich mit ihm auseinanderzusetzen aber sinnvoll.

Geändert von Moltke (09-11-2002 um 09:41 Uhr).
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