Zunächst einmal muß eine Begriffklärung erfolgen. Es gibt zwei Begriffe, die beide den Namen Kultur tragen. Einmal die Alltags- oder Gebrauchskultur. Das ist die Summe der Sitten und Gebräuche die ein Volk eint. Dazu zählt dann auch die Verwendung von Mülltonnen, Reinlichkeit und Ordnungssinn.
Von dieser rede ich hier nicht.
Andererseits gibt es eine geistig-künstlerische Kultur.
Nur von dieser rede ich hier.
Zuerst einmal möchte ich sie so abgrenzen, daß Träger der Kultur alle Deutschsprachigen sind. Dazu zählen Auslandsdeutsche ebenso wie Deutschschweizer und Sprecher deutscher Dialekte.
Inhalt ist das klassische Erbe, also das kulturelle und geistige Schaffen der Vergangenheit und das kulturelle und geistige Gegenwartsschaffen.
Zum klassischen Erbe zählen künstlerische und geistige Werke, die von Künstlern deutscher Zunge in der Vergangenheit geschaffen wurden.
Der Grund dieser Abgrenzung ist, daß sich die deutschen Künstler stets in einem besonders engen Austausch und
Auseinandersetzung untereinander befunden haben, daß sie aufeinander reagiert haben, daß sie ein gemeinsames geistiges
Zuhause einte, daß wiederum von anderen geschieden war. Grund hierfür war und ist die räumliche Entfernung, das
unterschiedliche Schicksal, vor allem aber die enorm hohe Bindekraft der deutschen Sprache und ihre Unterschiedlichkeit und damit Getrenntheit zu anderen Sprachen ud ihren Sprechern.
Natürlich gibt es hier Beeinflussungen von außen und nach außen hin. So wurde der deutsche Minnesang entscheidend durch die französischen Troubadoure geprägt und sogar ausgelöst. Jedoch entwickelte er sich dann auf ganz eigene Art. Generell hat die Beeinflussung, besonders innerhalb der Literatur in der Neuzeit zugenommen, doch erfolgt der Diskurs jeweils überwiegend auf nationaler Ebene. Das heißt, die Fragen, die die Deutschen interessieren, interessieren nicht zugleich die Franzosen und umgekehrt. Die Kulturen sind wie große, alte Häuser, die sich seit langem kennen und aufeinander wirken, die sich mal schätzen und mal verfeindet sind wie Montague und Capulet. Immer jedoch erhalten sie die ihnen je eigene Art, ihre spezifischen Vorlieben und Leidenschaften. Bei den Deutschen ist dies der Weg nach Innen und die Romantik.
Was das ursprünglich ja dezidiert antigeistig-antihellenistische Christentum betrifft, so hat es sich zweifellos tief in die deutsche Kultur eingegraben, hat es beeinflusst und geprägt. Die ersten schriftlichen Zeugnisse der deutschen Literatur, sind Gebete und Bibelübersetzungen, wie dies in allen europäsichen Kulturen der Fall war.
Auch bei den Griechen hatte ja die Kultur ihren Ausgang im religiösen Kultus und verfeinerte sich dann, von dort ausgehend zur Kunst, die alten Formen jedoch beibehaltend.
Wenn ich also die große Bedeutung der Religion und Beeinflussung durch sie auch keineswegs verneine, so heißt dies doch nicht, das alle deutsche Kultur christlich ist und sein muß. Vielmehr hat sie sich im Wege ihrer Entwicklung mal mehr mal weniger vom Christentum entfernt. Auch Atheisten und Juden tragen zu ihr bei, siehe Süskind von Trimberg, der Minnesänger in einem doch sehr christlich geprägten Minnesang war. Und siehe Goethe, der lebenslang einen starken Widerwillen gegen das Christentum hatte. Dennoch ist gerade befindet sich gerade sein Werk unter starkem Einfluss des Christentums und in Auseinandersetzung mit ihm. So ist Faust ohne Kenntnis der Bibel nicht zu verstehen.
Selbst die Art, diese Kultur zu zelebrieren ist eine unterschiedliche. Die Franzosen haben gestern Alexandre Dumas unter Anwesenheit und Ansprachen des Präsidenten der Republik und des Senats feierlich ins Pantheon überführt, das, nach römischem Vorbild, eine Art Götterhalle ist. Sie haben Dumas also vergöttlicht und Marianne, die französische Symbolfigur, ritt dem Trauerzug voran.
Man kann sich nicht vorstellen, daß in Deutschland Germania als Walküre den toten Dichtern den Weg nach Walhalla weist. (Die es ja immerhin in Regensburg gibt.) So etwas hätte man vielleicht im 19. Jahrhundert mit seinem Schiller- und Goethekult getan. Wie denn auch oft zu beobachten ist, daß sich große, benachbarte Kulturen in bewußter Abgrenzung und Abwendung von der Art des anderen entwickeln.
Man kann es natürlich auch einfacher haben. So ist von Thomas Mann der Ausspruch überliefert: "Wo ich bin, da ist die deutsche Kultur!".
Ich habe mich hier nur mit der deutschen Kultur beschäftigt, denn die Frage nach der deutschen Identität, den Werten, der Bewertung der Geschichte würde je eigene Aufsätze erfordern, da sie eine eigene Thematik haben und daher mit dieser Frage nicht vermischt werden sollen.
Geändert von Moltke (01-12-2002 um 03:56 Uhr).
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