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Alt 05-07-2004, 12:09
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Juggernaut Mechaniker

 
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Teil 3 des 2.Berichts

Und wenn wir schon am Boden sind, dann sucht man sich halt andere Lieblinge. Unerreicht in dieser Kategorie sind die Herren Rethy und Beckmann. Was die sich bei der Kommentierung der Spiele Italien-Bulgarien bzw. Portugal-Holland so leisteten, ging für mich schon auf keine Kuhhaut mehr. Herr Rethy stimmte eine neunzigminütige Trauerode über die arme betrogene italienische Nation an. Als Höhepunkt verglich er unmittelbar nach Spielende die Partie Schweden-Dänemark spontan mit Deutschland-Österreich 1982, ohne auch nur eine einzige Minute des Spiels gesehen zu haben. Allein für diesen Vergleich würde ich dem lebenslang das Mikro wegnehmen. Aber er konnte das auch wissenschaftlich untermauern: in Spielen zwischen Schweden und Dänemark gab es zuletzt vor 25 Jahren ein solch torreiches Unentschieden! Dann ist die Sache ja klar: der dänische Torwart, der zuvor drei Tage Zeit hatte, sich auszurechnen, dass der Gruppen-2. auf jeden Fall im Viertelfinale gegen die gaaaanz schwachen Tschechen würde antreten müssen, hatte so viel skandinavische Nachbarschaftsliebe im Blut, dass er mal kurz absichtlich etwas unglücklich aussah, und den Schweden zu Tor und Gruppensieg verhalf. Ja nee, is klar, Herr Rethy. Der schaffte es tatsächlich, dass mir der Mund offen stehen blieb. Vielleicht war er aber auch von der RAI gekauft, für den Fall der Fälle, der dann auch tatsächlich eintrat? Man weiß es nicht, ich weiß seitdem jedoch, dass Bela „Milan" Rethy zukünftig ein gern gesehener Gast auf jedem italienischen Sportlerball sein wird. Sich dermaßen anzubiedern, ist schon peinlich. Gut, dass es das Erste gibt, denn wer dem Namen nach die Nummer eins ist, gibt alles, um an der Spitze zu bleiben. Selbst in puncto Peinlichkeit. Denn genau dafür wurde ja Herr Beckmann verpflichtet.

Der hatte nach einigen flauen Aufwärm-Reportagen den Durchbruch beim Spiel Deutschland-Tschechien. Mitte erster Halbzeit, Nowotny senst völlig unmotiviert Heinz von hinten um, der Ball war nicht mal in der Nähe. Kommentar Beckmann: „Jetzt nicht provozieren lassen. Die Aufstellung der Tschechen ist schon Provokation genug." Da wusste ich, jetzt ist er warm, das ist noch steigerungsfähig.

Dann kommentierte Reinhold „Benfica" Beckmann das Halbfinale Portugal-Holland, und zwar derart, dass ich zwischendurch spontan beschloss, mir nie wieder ein Spiel anzutun, welches von ihm live besprochen wird. Der neutralste aller Journalisten bei den Öffentlich-Rechtlichen (ja, das ist er tatsächlich! Ich meine, Journalist! Man glaubt es nicht, aber es ist so) schluchzte beim Eigentor von Andrade „Neeeeein", dermaßen laut und in einem hohen Tonfall, dass man meinen konnte, ihm wäre grad was abgefallen. Er beeilte sich dann, zehn Sekunden später zu versichern, dass der Andrade ja zusammen mit dem Carvalho bislang eine hervorragende EM gespielt habe. Stimmt, mir fällt da spontan das Eröffnungsspiel ein, da waren sie wirklich gut. Und gegen England standen sie auch sehr sicher, war schließlich ein echter Langeweiler ohne große Torchancen. Er feuerte die Portugiesen über die gesamte Spielzeit an („Da kämpft jeder für jeden"), beleidigte mehrfach mal kurz die Holländer („Die stehen nur dumm rum"), übersah völlig, dass seine Lieblinge nach dem 2:0 die Arbeit einstellten und nur noch die Bälle nach vorn droschen, und zitterte mit dem Hanswurst der Portugiesen an der Seitenlinie: „Scolari ist da unten nicht mehr zu halten... es gilt, noch wenige Minuten zu überstehen, dann kann gejubelt werden...und ich gönne es ihnen". Sein Glanzstück leistete er sich dann kurz vor dem Schlusspfiff, als van Hooijdonk von einem seiner überragenden Gegenspieler vor dem Sechzehner zu Boden gedrückt wurde. „Der kriegt den Freistoß!!!" schrie er dermaßen empört, dass man meinen konnte, er habe soeben einen Dopingskandal aufgedeckt. Bei der Zeitlupe sagte er dann „Naja, der drückt ihn ein wenig runter... aber alles im fairen Bereich." Was kümmert es Herrn Beckmann, dass ein Wegdrücken mit den Händen auch im fairen Bereich immer noch ein Foul ist? Zumal er zuvor die dreimalige Schauspieleinlage von Portugals Torwart Ricardo mit einem verschmitzten Lächeln und der Ankündigung „Das werden jetzt wohl noch öfter sehen" abgetan hatte? Und ich hoffe inständig, dass ich den Mann nie wieder hören oder sehen muss. Emotionen bei einer Reportage, schön und gut, aber eine gewisse Neutralität darf man sich gerne dabei bewahren. Ansonsten soll er das direkt vor dem Anpfiff kund tun: „Ich darf Ihnen heute das Spiel meiner Lieblingsmannschaft übertragen und werde alles tun, um sie zum Sieg zu schreien." Dann weiß man, was kommt, und kann entsprechend reagieren.

Apropos „kommt": wer kommt denn jetzt? Also ich meine, als neuer Bundestrainer? Hitzfeld hat ja abgesagt, was ich einerseits schade finde, andererseits sehr erleichtert schreibe, denn Hitzfeld hätte automatisch auch Henke bedeutet, und was dieser Seitenlinien-Proll an deutschem Rest-Image im Ausland geschändet hätte, wäre auf Jahrzehnte nicht mehr gut zu machen gewesen. Also wer nun? Daum? Nein, nein, dagegen sprechen schon die alten Herren im DFB und bei den Bayern. Der ist doch untragbar für den Verband nach seiner Koks-Affäre. In der Tat: Christoph Daum ist untragbar für einen Verband, der sich das Motto „Keine Macht den Drogen" auf die Fahne geschrieben hat und gleichzeitig von diversen Alkoholika-Firmen gesponsert wird. Denn legale Drogen sind okay, solange die Kasse stimmt. Und der Daum hat ja mal ein Drogenproblem zugegeben, damit ist er wirklich für diesen Verband und besonders für seinen Präsidenten untragbar. Auch wenn der ihn vielleicht gerne gehabt hätte, um vom Kampf seiner Leber gegen die vielen, vielen Termine abzulenken, die so ein DFB-Präsident hat.

Otto Rehhagel? Otto, der Schöngeist, und MV, der Kräutergeist? Also bitte. Ich gönne ihm ja seinen Erfolg, aber mit dem holt man sich doch genau das ins Boot, was man angeblich schon seit 2000 nicht mehr haben wollte: dieses sture Festhalten an althergebrachten Prinzipien, safety first, dozierenden Besserwissern. Wollen wir wirklich, dass der deutsche Fußball aussieht wie der griechische? Auch wenn die Erfolge da sind? Wenn die Kasse stimmt? Ganz, ganz ehrlich? Nun, warum nicht? Die Parallelen sind unverkennbar: bei der WM 2002 brachten drei 1:0-Siege die deutsche Mannschaft bis ins Endspiel. Den Griechen brachte dreimal dasselbe Ergebnis nun die Europameisterschaft. Vielleicht sollten wir diesen Weg nicht aus den Augen verlieren und schon mal mit dem Naheliegendsten anfangen: den deutschen Schäferhund in der Ahnenreihe von Charisteas suchen. Dann klappt’s vielleicht auch mit dem Otto. Obwohl ich mir nicht vorstellen kann, dass ich das wirklich will.

Lothar Matthäus wurde von irgendeinem Komiker ins Rennen geworfen. Da es bei der Nationalmannschaft aber nix zu lachen gibt, haben das alle Ernst genommen, inklusive Lothar. Der Mann, dessen Reputation als Trainer darauf beruht, dass seine dritte Garnitur an einem lauen Frühlingsabend eine Halbzeit lang mal Lust auf Fußball hatte, im Gegensatz zu ihren Gegenspielern. Ich hoffe, das bleibt ein schlechter Scherz. Obwohl die Interviews viel Spaß machen würden, zugegeben.

Oder vielleicht doch mal ein Ausländer? Siehe Scolari in Portugal, siehe Eriksson in England, die kommen doch auch gut zurecht. Und siehe Deutschland 1998 nach dem Abgang des Terriers, als Arsène Wenger mal kurzfristig im Gespräch war. Da brauchte die BILD noch nicht mal Leserbriefe erfinden, so sehr wurde sie damit zugeworfen. Die deutsche Nationalmannschaft hat einen deutschen Trainer zu haben! Punkt, aus! Begründung: keine. Also keine logische. Aber wann waren wir schon mal logisch, wenn es um die Nationalmannschaft ging?

Hat sich sowieso erledigt: unser DFB-Chef Mayer-Vorfelder hat dazu ja schon aus Portugal eine Aussage getätigt. Ich hätte da übrigens mal ne Frage: was machten der und sein Funktionärsstab eigentlich noch bis zum Endspiel in Portugal? Die deutsche Mannschaft ist doch schon vor geraumer Zeit ausgeschieden? Mit welcher Berechtigung treibt sich ein DFB-Chef dann noch in den VIP-Räumen der Stadien rum und lässt sich bedienen, alles garantiert ohne zu bezahlen? Würde mich mal interessieren.
Egal, Mayer-Amselfelder hat’s gesagt: der neue Trainer muss fließend Deutsch sprechen können. Was für ein Anforderungsprofil an einen Nationaltrainer! Fließend Deutsch! Was ist das denn? Wo wird das denn gesprochen, war da schon mal jemand? Die meisten Kölner können doch schon in der Eifel nicht mehr nach dem Weg fragen, so sieht’s doch aus. Von wegen, fließend Deutsch. Aber durch diese rhetorische Glanzleistung hat er natürlich schon alle Ausländer von der Liste imaginärer Kandidaten gestrichen. Bei so viel Weitsicht sag ich nur: Prost!

Und das bringt mich auf den naheliegendsten Kandidaten: natürlich muss es Udo Lattek machen! Der gilt ja nicht nur im Hartschwätzen als großes Vorbild, der hilft auch sparen. Denn wenn erst mal der Mayer-Vorfelder den Lattek unter den Tisch gesoffen verpflichtet hat, dann ist der bestimmt bereit, den Job für eine Kiste Bier am Tag zu machen. Und zwar praktischerweise mit dem Gesöff eines Hauptsponsors. Dann klingelt’s weiter in der Kasse, und wir können nach der WM 2006 auch wieder jammern. Weil man sich beim Fußball in diesem Land noch nie getraut hat, einen wirklichen Umbruch zu vollziehen. Hauptsache, wir sind bei jedem Turnier mit dabei, Ergebnis egal. Ich finde, dafür wäre der Lattek bestens geeignet.

Abschließend muss ich leider sagen, dass ich auf die deutsche Nationalmannschaft doch noch ein bisschen sauer bin. Nicht aufgrund ihres frühen Ausscheidens, nein, das hatte ich erwartet (wenn auch nicht erhofft). Nein, aufgrund des 0:0 gegen Lettland. „Der Schlüssel in der Gruppe ist Lettland", sagte jemand vor dem Turnier, und er behielt Recht, Holland und Tschechien gewannen ihre Spiele und kamen weiter, Deutschland schied aus, weil man nur 0:0 spielte.



So, endlich
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