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Gott hat’s mir doch gesagt! Gott ist die absolute Wahrheit! So steht es in der Bibel! Es ist ja immer das Problem der Selbst- und Weltsicht. Ich verstehe es ja auch nicht, und ich bin bei meinem Freund auch immer nur zu dem Punkt gekommen, dass ich meine, dass Fundamentalchristen einfach das glauben, was sie glauben wollen. Du darfst das aber auch nicht so verstehen, dass diese Form der Identitätsstiftung bewusst abläuft. Durch das Abgrenzen von anderen finde ich ja wieder zu Personen, die genauso denken wie ich und dann fühle ich mich in dieser Gemeinschaft wieder wohl. Es ist nicht so, dass man nach Unterschieden sucht, die eigene Meinung verabsolutiert, um damit Identität zu erreichen, sondern umgekehrt entsteht Identität, wenn du zuerstgenanntes tust und dadurch fühlst du dich dann wieder bestätigt. Zitat:
Aber die ersten Zeugnisse von Gemeinden findet man ja schon in den Briefen des Apostels Paulus um 50 n. Chr., der sich mit seinen gegründeten Gemeinden auseinandersetzt. Hier wird auch deutlich, welche Probleme mit anderen religiösen Gruppierungen vorlagen (mir fällt da spontan die Frage der Gemeinde ein, die sich fragt, ob man geopfertes Fleisch essen darf... müsste 1 Kor sein). Und dass Paulus sein Leben für den Glauben ließ ist ja auch unbestritten, deshalb sind die Konflikte mit der „alles verschlingenden Übermacht“ gar nicht weit hergeholt. Zitat:
Außerdem erklärt sich so ja auch nicht der Antijudaismus im Johannes-Evangelium. Umgekehrt gab es das allerdings später auch, als sich die Juden von den Christen bedrängt sahen, dass man im Achtzehngebet einen Vers änderte, der sich sehr radikal gegenüber Andersgläubigen äußerte. Zitat:
![]() Ich bin vor einiger Zeit bei einer baptistischen Hochzeit gewesen. Ich fand es ganz befremdlich, wie sehr das Ehepaar gelobt wurde, weil es bislang noch nicht miteinander geschlafen hatte. Ich fand das wirklich extrem. Weniger die Tatsache, dass sie vor der Ehe keinen Geschlechtsverkehr hatten, denn das kann jeder für sich entscheiden und ich maße es mir nicht an da jemandem etwas nahezulegen, geschweige denn vorzuschreiben. Aber die Tatsache, dass da alle informiert waren und ich jetzt auch bin, obwohl ich das überhaupt nicht wissen wollte, fand ich sehr befremdlich. Ich habe da wirklich nur gedacht, was geht mich und alle anderen die da sitzen das an, was die beiden in ihrer Freizeit machen, oder besser nicht machen. Es sollte natürlich als tolles Beispiel herhalten, aber ich fand das echt nicht gut. Zitat:
![]() Aber das Beispiel zeigt ja doch, wie wichtig es für einen Fundamentalchristen ist, dass man auf der gleichen Schiene fährt, was den Glauben angeht, also die eigene Identität möglichst vollständig teilt. Und um noch einmal kurz auf die halben Bibeln zu sprechen zu kommen: Für mich ist das, was du beschreibst schon eine Form der Ablösung und das hat Jesus überhaupt nie gewollt. Ich habe das auch in den Gottesdiensten immer wieder erlebt. Diese extreme Fixierung auf Jesus Christus, dessen Name so viel häufiger erwähnt wird, als Gott. Und diese starke Sehnsucht nach dem Reich Gottes. So hat Jesus in der Bibel nicht gesprochen... P. S.: Wie kommt das eigentlich, dass du dich so viel mit dem christlichen Glauben und auch so detailliert befasst hast, Martina? Ich für meinen Teil studiere ja katholische Religionslehre, insofern bleibt mir ja nichts anderes übrig, aber du kennst dich ja doch sehr gut aus.
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#2
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Hm-das habe ich auch nicht gemeint. Ich habe gemeint, dass er sich selbst unterordnet bzw. untergeordnet hat. Schön zu sehen wird das im Garten Gethsemane kurz vor der Kreuzigung, indem Jesus zuerst deutlich macht, dass er das alles nicht so gerne will, dann aber ganz deutlich seinen Willen unter den Willen des Vaters stellt.( Mt 26, 36-46) Zitat:
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Ein Beispiel von meinen Kollegen aus Amerika möchte ich aber noch bringen: Nebst der Tatsache, dass in einigen Bundesstaaten die Evolutionstheorie ja nicht mehr im Schulunterricht gelehrt werden darf, weil sie ja im Kontrast zu dem Schöpfungsmythos der Bibel steht, dürfen bestimmte Worte, wie „sex“ nicht mehr in den Abstracts der Publikationen genannt werden. „Sex“ heißt ja aber nun bekanntlich auf Englisch nichts anderes als „Geschlecht“ und das stellt einige Biologen, die sich mit dem Geschlechtsverhalten irgendwelcher Tierarten auseinandersetzen doch vor beträchtliche Probleme........es sind einfach „Bäh-Worte“, die das fundamentale Christentum nicht zulässt. Dies war nur ein Beispiel für ein typisches „Bäh-Wort“, was in Amerika nicht mehr genannt werden darf. So, Rest kommt wieder morgen.........mal wieder Luft holen muss ![]() Geändert von Rejana (10-12-2007 um 20:47 Uhr). |
#3
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Da sind die Fundamentalchristen ja nichts neues- sondern reihen sich gut ein. Natürlich läuft das unterbewusst ab-das weiß ich wohl- nur, nun ich denke eben, ein paar der Handlungen die wir am Tag so tun sollten wir auch hinterfragen, aber da schlägt wohl wieder mein kritischer Geist zu. Aber wie gesagt, Fundamentalchristen können durchaus kritisch denken und auch reflektieren- wenn es ihre eigen Thesen dienlich ist. Um es salopp zu sagen: Sie befinden sich nicht auf der ewigen Suche nach der Wahrheit-warum auch, sie glauben schließlich, sie haben sie schon gefunden ![]() Zitat:
Also gabs wohl damals das, was es immer gibt bei der Bildung einer neuen Weltansicht: Alle finden es außerhalb komisch und innerhalb findet irgendwann auch Spaltung statt. Das erklärt für mich aber nicht die „alles verschlingende Übermacht“ - vor dem sich nun explizit die Christen sehen sollen. Andere Glaubensrichtungen/Weltanschauungen haben durchaus das selbe Problem, lösen dies aber nicht, indem sie radikal werden und sich negativ abgrenzen. Das ist schon eine Eigenart einer missionierenden Religion, wie beispielsweise dem Christentum. Zitat:
Das geht n die gesamte Lebensgestaltung hinein, die auch von aufmerksamen Geschwisterchen durchaus begutachtet wird- und sollte etwas „bei dem Nächsten“ nicht stimmen zur Not auch dem Pastor zugetragen wird. Man muss ja aufeinander aufpassen- so als „echte Geschwister im Herrn“. Solche Kontrolle geht übrigens auch in die Gedanken und die Gefühlswelt hinein - sie macht nicht halt vor der Frage der jungfräulichen (und männlichen) Trauung. ![]() Zitat:
Mit „Kuschel-Jesus“ fährt man halt überall hin, spricht mit ihm überall, betet ihn an, singt ihm Lieder, und er antwortet auch immer so, dass es ins eigenen Weltbild hineinpasst. Eigentlich kann ich das gut respektieren, aber eine Seite zeig ich Dir noch mal, da hab selbst ich gedacht: „Nun hörts aber auf..:“ http://www.jesuschick.de/ - Nähen mit Jesus. ![]() Wie du siehst, diese Form von Religionsausübung kann doch sehr groteske Formen annehmen. PS: Das ist ne lange Geschichte, die schwer auf einen Punkt zu bringen ist. Ich bin gläubig- wie unschwer aus meinen Beiträgen zu lesen ist- und irgendwie hab ich ne hohe Affinität zum christlichen Glauben und hab mich darum lange Zeit damit beschäftigt- und kanns irgendwie halt nicht lassen ![]() Naja, du hast Dir dein Studium ja nun auch selbst ausgesucht, als ganz unfreiwillig wars bei Dir wohl nicht? Wieso studiertst du katholische Religionslehre? |
#4
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Der Mensch ist in jeglicher Hinsicht frei. Gott nimmt keine Menschen aus der Welt, so wie es mein Freund mir mitteilte, nur weil ein Mensch nicht glaubt. Das ist so ziemlich der größte Schwachsinn den man annehmen kann. (Das habe ich ihm so nicht gesagt, weil ich ihm dann ja Schwachsinn unterstellen würde. Ich tue es nur hier, weil ich nicht verstehen kann, dass jemand so etwas wirklich von einem Gott glauben kann, den er dann auch noch lobt und von dem er behauptet, er liebe die Menschen.) Ich glaube, dass man den Gedanken, Gott steuere die Welt und würde ständig irgendwo eingreifen, ganz einfach durch Überlegung verwerfen kann: Wenn Gott, egal in welcher Weise auch immer, etwas in dieser Welt verändern würde, müsste er sich immer, zumindest vor sich selbst, rechtfertigen, warum er hier eingreift und in einem anderen Fall wieder nicht. Warum lässt Gott einen armen Säugling sterben, der von seinen Eltern mit AIDS infiziert wurde? Warum habe ich ständig genügend (und noch viel mehr) Essen auf dem Teller, obwohl täglich hunderttausend Menschen verhungern? Wer daraus den Schluss zieht, dass Gott den Menschen auf die Probe stellt, der hat sie in meinen Augen wirklich nicht mehr alle. Was soll denn das für ein Gott sein? Das ist die sadistischste Form eines Gottes, die man sich vorstellen kann. Und wenn Gott so sein sollte, dann würde ich sofort aufhören an ihn zu glauben, egal welche Strafe er für mich bereit hielte. Dann hätte Gott seinen Namen nicht verdient. Würde Gott so handeln, dann müsste er sich aber nicht nur vor sich selbst rechtfertigen, er würde sich auch schuldig machen, denn wodurch würde Gott seine Taten legitimieren? Nämlich nur dadurch, dass er es kann und weil er es so will. Er handelt, weil er Macht hat. Aber wodurch unterscheidet er sich denn dann von einem Menschen mit Macht, der Dinge tut, weil er es kann? Natürlich macht sich an dieser Stelle wieder der Satz gut: „Gottes Wege sind unergründlich.“, also so zu tun, als seien wir Menschen gar nicht in der Lage zu verstehen, warum Gott handelt wie er handelt. Aber in meinen Augen stimmt das nicht. Gott muss vernünftig handeln. Und Vernunft hat Gott auch dem Menschen gegeben. Folglich muss ich in der Lage sein, auch sein Handeln zu verstehen und nachvollziehen zu können. Deshalb kann Gott gar nicht in diese Welt eingreifen. Er hat dem Menschen die prinzipiell völlige Freiheit gegeben. Der Mensch selbst ist in der Lage aus sich selbst heraus moralisch gut oder schlecht zu handeln und das Leben an sich ist schon so angelegt, dass er immer wieder vor neue Herausforderungen gestellt wird. „Gott verlangt absolutes Gehorsam!“, auch ein Satz, den ich von meinem Freund gehört habe. Auch, in meinen Augen, völliger Schwachsinn. Warum hat Gott denn dann den Menschen überhaupt erst so gemacht wie er ist. Er hätte ihn ja dann auch gleich so machen können, dass so eine Katastrophe mit dem Paradies und der Vertreibung und dann mit dem ganzen Ärger mit Abraham und der Sintflut und dann am Ende auch noch mit der Opferung des eigenen Sohnes gar nicht erst passiert wäre. Ich bin der Meinung, dass man es sich viel zu einfach macht, wenn man Gott und Religion auf dieser Ebene versteht bzw. verstehen will. Zitat:
Die Evolutionstheorie erklärt die Welt ohne Gott und wurde daher aus dem Unterricht verbannt, weil dahinter, nach Ansicht vieler amerikanischer Christen, ein religiöses Weltbild vermittelt wird, wenn auch im negativen Sinn in der Form, dass es einen Gott nicht gibt. Das ist in meinen Augen Schwachsinn: Die Evolutionstheorie nimmt als Postulat nicht an, dass es Gott gibt. Daraus resultiert für die Fundamentalchristen, dass sie Gott negiert, was aber nicht wahr ist. Dieser Umkehrschluss ist überhaupt nicht zulässig. Und darum ist es auch der größte Fehler überhaupt, die Evolutionstheorie aus dem Schulunterricht zu verbannen. Gott wird ja nicht negiert, er wird nur nicht als Ausgangspunkt postuliert. Man schaut eben auf das, was einem mit naturwissenschaftlichen Methoden möglich ist herauszufinden. Nicht mehr und nicht weniger. ID ist da ganz was anderes: Da steht zu Beginn ein Postulat, das sich weder verifizieren noch falsifizieren lässt! Und deshalb ist die „Theorie“ gar keine Theorie, sondern schon ganz am Ausgangspunkt vollkommen unwissenschaftlich. Während man in der Evolutionstheorie aus wissenschaftlich bestätigten Fakten eine Theorie ableitet, geht ID ja umgekehrt von einer Annahme aus und versucht diese zu bestätigen, indem sie wissenschaftliche Methoden anzweifelt. Zitat:
Ganz genau. Und damit kommen sie ziemlich vom eigentlichen Weg ab, den Jesus eingeschlagen hat.
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![]() Ich starte noch einmal einen Versuch der Erklärung: Zur Zeit der Entstehung des Johannes-Evangeliums etwa, muss die Gemeinde, in der das Evangelium entstand, ziemlich isoliert gewesen sein. Das Evangelium vermittelt ja eine sehr viel stärker entwickelte Theologie und sieht sich auch in der Tradition etwas anders, als das Christentum der Petrusanhänger. Man spricht in diesem Zusammenhang von der johanneischen Schule. Das Johannes Evangelium pauschaliert sehr oft bezüglich der (feindlichen) Umwelt, indem es immer wieder sagt: aber die Juden, und die Pharisäer... Diese Gruppen stellen sich gegen die Lehre Jesu und erkennen ihn nicht. So vermittelt es das Evangelium. Wahrscheinlich ist es so, dass zum Zeitpunkt der Abfassung des Evangeliums sich die Gemeinde in der das Schriftstück entstand, ständig rechtfertigen musste. Und es hat eben die Gegner als „die Juden“ empfunden, obwohl mit Sicherheit viele Mitglieder der Gemeinde selbst jüdische Wurzeln haben. Es heißt ja dort auch, dass das Heil von den Juden kommt (Joh 4,22). Aber wie ist dieser Anti-Judaismus eigentlich zu erklären? Wohl nur dadurch, dass das jüdische Umfeld, gegenüber dem man sich ständig rechtfertigen musste, als Bedrohung empfunden wurde. Und eine Bedrohung wird nur dann zur Bedrohung, wenn die gegnerische Gruppe mächtig ist. „Alles verschlingende Übermacht“ ist vielleicht etwas übertrieben ausgedrückt, aber wenn man jemanden als Bedrohung wahrnimmt und ich denke, das tun die Fundamentalchristen angesichts einer in weiten Teilen zeitgemäß gottlosen Gesellschaft, muss man kämpfen, um sich zu behaupten. Zitat:
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Dort lässt man sich ja erst im Erwachsenenalter taufen, weil man dann selbst über seinen Glauben bestimmen kann und damit vorgibt, zu Jesus gefunden zu haben usw. Wenn ich aber beobachte, wie die Kinder der Baptisten (ich weiß nicht ob da was bis zu euch durchgedrungen ist, aber hier in Paderborn gibt es ja Probleme mit einigen baptistischen Familien, die ihre Kinder nicht mehr zur Schule schicken) aufwachsen, entscheiden die sich garantiert nicht aus freien Stücken für Jesus Christus, sondern deshalb, weil die massiv in dieser Linie „gedrillt“ wurden. In meinen Augen findet da keine freie Entscheidung mehr statt. Sich frei zu entscheiden hieße, sich mit anderen Religionen auseinanderzusetzen und auch ins Auge zu fassen, dass man eventuell auch ohne an Gott zu glauben leben kann. Ich finde es auch immer wieder so plakativ, wenn dort Personen vorgeführt werden, die vorher mal im Knast gesessen haben oder die natürlich vorher mal ihr Glück im Buddhismus gesucht haben und dann da auf „der Bühne“ auftreten, um zu berichten, dass das doch alles nichts gegen den echten, wahren Glauben (mit Jesus, Gott wird ja so gut wie nie genannt) ist. Zitat:
![]() Zitat:
Zitat:
Wie dem auch sei, ich habe mir lange Zeit wenig Gedanken um Religion und Glaube gemacht. Aber ich habe nie meinen Glauben an Gott in Frage gestellt. Keine Ahnung wieso, ich kann es nicht weiter begründen, aber ich glaube einfach daran, dass Gott da ist. Da ich schon seit einiger Zeit von diversen Seiten belabert wurde, was das Thema angeht, dachte ich mir, ich brauche mal schlagkräftige Argumente und ich muss mich mehr mit dem Thema auseinandersetzen. Deshalb habe ich Religion als Fach gewählt. Und ich muss derzeit wirklich sagen, dass diese Wahl die beste Wahl war, die ich treffen konnte. Was ich wirklich interessant finde ist, dass ich glaube, viele derjenigen, die so einen Glauben haben, der eher „textnah“ ist, also in die Richtung geht, die Bibel wortwörtlich verstehen zu wollen, könnten ihren Glauben während des Studiums verlieren, weil es so einfach nicht ist. Ich muss dazu sagen, dass ich mich in meiner Auffassung von Glaube bestätigt sehe und im Studium sehr viel dazu gelernt habe, was mir den Blick erleichtert. Wenn ich heute von jemandem bequatscht werde, weiß ich mittlerweile ziemlich gut wo ich stehe. Ich muss mir auch nicht mehr die Mühe machen, mich unbedingt zu rechtfertigen. Ich komme gut damit klar, dass diejenigen so denken, wie sie es tun. Im Notfall kann ich Gegenargumente bringen, aber ich sehe mich nicht in der Zwickmühle mich unbedingt erklären zu müssen.
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